Der Internationale Gerichtshof für Minderheiten - Ein

Europäischer Vorschlag zur Lösung der neuen

globalen Konflikte

Vortrag von Dr. Antje Vollmer Europa Institut an der Universität Zürich am 27. März 2003 Es gilt das gesprochene Wort 1. Minderheitenkonflikte - elementarer Faktor in den neuen Kriegen 2. Mechanismen im Völkerrecht, die für eine Lösung von Minderheitenkonflikten in Frage kommen 3. Exkurs: Amerikanische und europäische Ansichten 4. Der Internationale Gerichtshof für Minderheiten - ein europäischer Vorschlag 5. Gegenargumente und Einwände 6. Zusammenfassung und Ausblick Anrede, 1. Minderheitenkonflikte - elementarer Faktor in den neuen Kriegen Auch nach den traumatischen Erfahrungen durch die beiden Weltkriege und die Phase des Kalten Krieges werden weiterhin Kriege geführt. Dabei sind ethnisch-religiöse Konflikte bzw. Minderheitenkonflikte oft Auslöser, immer jedoch Triebkraft des Krieges, Motivator zur Gewinnung von Mitstreitern und Vorwand für Verbrechen. Sie geben einen Vorgeschmack darauf, welcher Art die Konflikte der Zukunft sein werden. Uns sitzt das Grauen der Balkankriege noch in den Knochen. Ein moderner Industriestaat, ein beliebtes Ferienziel mitten in Europa wird plötzlich zum Kriegsherd, zum Ort von Vertreibung, Völkermord, unglaublicher Gewalt und furchtbarem Elend. Nach dem zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg hatte man gehofft, dass eine solche Katastrophe in Europa nicht mehr möglich sein würde. Stattdessen wurden die alten Ideologien durch religiös-ethnische Konfliktlinien ersetzt und erhitzt (Münkler); neue Konflikte brechen auf; das Morden und Brandschatzen geht weiter. Die Ursachen für die Kriege in Jugoslawien reichen weit zurück. Sie sind Relikte des Zerfalls des europäischen Großreichs Österreich-Ungarn. Als Ergebnis des ersten Weltkriegs zerfiel der Vielvölkerstaat in viele kleine Staaten, die ethnisch möglichst homogen sein wollten. Es war der Nationalismus und Populismus der Zeit, vorangetrieben von so ungleichen politischen Führern wie Woodrow Wilson oder Thomas Masaryk, die die Selbstbestimmung der Völker zum höchsten Gebot und die Zerteilung der Staaten unausweichlich machte. Die entstandenen Nationalstaaten waren oft instabil. Ungelöste Konflikte zwischen den einzelnen Volksgruppen blieben unterschwellig bestehen. Die Konstellation im Balkan ist nicht einzigartig: In Afrika bekämpfen sich an den Kanten der ohne Rücksicht auf kulturelle und ethnische Traditionen scharf auf dem Reißbrett gezogenen Grenzlinien der ehemaligen Kolonialreiche die verschiedenen Clans und Völker. An den Rändern des früheren russischen Zarenreiches haben sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kleine Staaten gebildet, auf deren Gebieten wiederum eine Vielzahl von Minderheiten lebt. Auch das zerfallene Osmanische Reich bildet den Grundstoff für heutige Minderheitenkonflikte. Das Gebiet, in dem die Kurden leben z.B. ist verteilt auf die Türkei, den Irak, den Iran bis hinauf nach Armenien. In all diesen Ländern bilden sie eine Minderheit mit Zukunftsambitionen auf einen eigenen Nationalstaat. Das Problem ist die Regellosigkeit dieser Konflikte. Sie beginnen mit Rivalität, Kränkung und Hass und sie folgen oft noch den Gesetzen der Blutrache. Der Krieg, der nie erklärt wird, hat doch die Tendenz, ganze Regionen zu infizieren. Die großen Freiheitshoffnungen endeten nicht selten in geschwächten Staaten, unerfüllten Illusionen und instabilen Regionen. Die "Soldaten" des Bürgerkriegs sind zivile Personen, die außerhalb jeder Regel agieren. Sie werden, wenn sie unterliegen, vertrieben, die betroffenen Gebiete werden nachhaltig zerstört, zerrissen, ihrer kulturellen Schätze beraubt und für lange Perioden in Abhängigkeit gebracht von Hilfe und Schutz der internationalen Hilfstruppen. Fremdenhass führt zu Vertreibungsphantasien. Die Reaktionen der Weltöffentlichkeit reicht von absolutem Desinteresse bis zur selektiven Entrüstung im Namen einer Kriegspartei. Viele ethnisch-religiöse Konflikte schwelen ohne auszubrechen, auch sie bergen die Gefahr einer Eskalation, Ausweitung und Instabilisierung der jeweiligen Region. Manche Konflikte warten nur auf ihren Ausbruch. Die Minderheitenprovinzen Tibet und Xinjiang werden von der chinesischen Regierung wie Augäpfel gehütet, denn von ihnen geht sehr großes Potential zur Instabilität aus. Die Frage der Tschetschenen harrt ihrer Lösung und empört die Weltöffentlichkeit. Selbst in der prinzipiell eher stabilen Region West-Europas gibt es zwei schwelende und zu Zeiten immer wieder aufflammende Konflikte, die auch ihre Ursache in Minderheitenfragen haben: die spanischen Basken und die IRA in Nordirland. 1.1. Ver- und Entrechtlichung des Krieges Die Europäische Kriegserfahrung hat eine lange Geschichte und läßt sich in vier Phasen einteilen - wobei es hier nur um einen grundsätzlichen Überblick geht. Die frühen Kriege waren keine Kriege im heutigen Sinne, sondern Auseinandersetzungen zwischen Clans und Sippen - mit Patriarchen, die gleichzeitig Heerführer und Stammesälteste waren und in der Regel ihre Gebiets-Rivalitäten austrugen. Ad hoc gesetztes Recht, kulturelle Traditionen und die Autoriät der Stammesältesten, die oft auch die Richter ihres Volkes waren, bestimmten das Kriegsgeschehen. Sie bestimmten, wann ein Krieg begann und wann er beendet war. Zum Teil kämpften die Patriarchen auch direkt in Stellvertretung ihres Clans miteinander. Vorrangiges Ziel war, die Blutrache zu beenden, um zu verhindern, dass sich die Sippen in endlosen Kämpfen erschöpften und verschlissen. Den Krieg zu beginnen war leicht. Das schwierigste war, ihn zu beenden. Im Laufe sich entwickelnder Strukturen veränderten sich die Kriege. Könige rekrutierten Berufssoldaten, Heerführer, Generäle und "Funktionäre" der Kriegsführung. Dafür zahlten die Bauern den Zehnten, da sie so von der Teilnahme entlastet wurden. Der Beruf des Soldaten, des Kriegsknechts, entstand, Uniformen und Militärhierarchien bildeten sich heraus und trennten die Kombattanten von der Zivilbevölkerung. Nicht zuletzt durch die immer komplizierteren und effektiveren Waffen wurde Kriegführen zu einer "staatlichen" Angelegenheit - einer Staatsaufgabe. Die besseren Geschosse verlangten bessere Verteidigungsbefestigungen, die Soldaten mußten lange ausgebildet werden und wurden dadurch kostbar und teuer. Das konnten private Kriegsherren nicht mehr leisten. Der Krieg wurde zu einer Angelegenheit zwischen den Staaten. Im Zuge der Verstaatlichung setzten sich auch andere Strategien durch. Man versuchte, Material und Personal zu sparen und setzte alles daran, die Kämpfe in wenigen Schlachten zu entscheiden. Es entstanden Regeln des Krieges, eine Verrechtlichung der Kriegshandlung fand statt. Ein Krieg begann durch eine formelle Kriegserklärung und wurde durch Verträge für beendet erklärt. Kriegshandlungen waren legitim, aber Verbrechen an unbeteiligten Dritten wurden als Kriegsverbrechen geächtet. Die Kriegsparteien befanden sich in einem prinzipiellen Gleichgewicht zueinander. Alle beriefen sich auf die gleichen Regeln, waren durch Allianzen etwa gleich stark bewaffnet. In dieser Zeit der sich festigenden Nationalstaaten und Staatenbünde verlor die Theorie des "gerechten Krieges" an Bedeutung. Es war im Kern eine Theorie der besseren Mobilisierung der eigenen Ressourcen durch Rekurs auf eine höhere Instanz. Religion und zivilisatorische Überlegenheit - oder bei Angriffen das Sein oder Nicht-Sein der eigenen Religion oder Nation - legitimierten Angriffskriege. Durch die Begründung des "gerechten Krieges" konnten die Heerführer die Treue ihre Soldaten gewinnen, die Legitimation z.B. des Papsts und den Rückhalt in ihrem Volk stärken. Es war ein propagandistischer Vorteil - nicht zuletzt, um Allianzen zu schmieden. Dass die USA heute im Bezug auf den Irak, aber auch in Bezug auf den Terrorismus seit dem 11. September 2001, wieder von einem "gerechten Krieg" sprechen, ist ein Hinweis darauf, dass sie eine grundsätzlich anderen Bezug zum Krieg haben und die europäische Erfahrung der letzten Jahrhunderte nicht teilen. Ich komme später noch auf einige grundsätzliche Unterschiede zwischen Europa und den USA zu sprechen. Diese Unterschiede werden bei unseren Überlegungen über die Wege in ein friedliches Zusammenleben nach dem Kalten Krieg zu berücksichtigen sein. Schon in der dritten Phase, die mit dem Zerfall der Kolonialreiche beginnt, geht die Verrechtlichung des Krieges zurück. Vertreibung, Giftgas und Flächenbombardement sind Elemente schon des ersten und des zweiten Weltkriegs. Sie tragen den Krieg zurück in die Mitte der Zivilbevölkerung, die gerade in Europa nicht mehr außerhalb der Kriegsvorgänge leben kann. Die neuen Kriege der Massenvernichtungsstrategien respektieren keine Abmachung, keine Regel, sie zerstören alles, sie zielen vor allem auf die Zivilbevölkerung. Diese Tendenz verstärkt sich in der vierten Phase, die nach 1990 mit dem Ende der Blockkonfrontationen beginnt. Durch den Wegfall der Einschüchterung durch die Supermächte wird ein Ausbrechen von kriegerischen Konflikten erleichtert. Minderheitenkonflikte ersetzen die großen Ideologien in ihrer Funktion als Kriegsmotivator und - begründung. Das Problem der "vergessenen Gebiete" kommt auf: Länder wie Afghanistan und Ruanda, in denen unterschwellige schwerste Konflikte auf ihren Ausbruch warten, sind der Weltöffentlichkeit nicht wert, sich zu interessieren. Es fehlt eine ordnende Macht, die eingreift. Nach der Auflösung des sowjetischen Imperiums gelang es nicht, stabile Nationalstaaten in stabilen Regionen mit festen Strukturen zu schaffen. Warum sind die Minderheitenkonflikte so wichtige Faktoren im Krieg? Gibt es eine Möglichkeit Minderheitenkonflikte und Kriege zu trennen? Sehen wir uns zunächst einmal an, welche Möglichkeiten Minderheiten haben, ihre Rechte durchzusetzen: 2. Mechanismen im Völkerrecht, die für eine Lösung von Minderheitenkonflikten in Frage kommen 2.1. Einleitung Die Bedeutung der Minderheitenrechte ist spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg und der Aufdeckung der Verbrechen der Nationalsozialisten ins Bewußtsein der Weltöffentlichkeit gedrungen. Ähnlich wie sich die Mechanismen der Kriege verrechtlicht haben, so hat man auch in der Weltgemeinschaft versucht, rechtliche bzw. durch völkerrechtliche Verträge abgesicherte Mechanismen zum Schutz von Minderheitenrechten durchzusetzen. Um es vorweg zunehmen: die unterschiedlichen Regeln und Verfahren im völkerrechtlichen Minderheitenschutz haben die Aufmerksamkeit der Politiker und der Wissenschaft auf diesen Themenbereich gelenkt. Viel mehr - vor allem hinsichtlich Konfliktverhütung und -lösung - konnten sie leider noch nicht ausrichten. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Minderheitenschutz auf internationaler Ebene überwiegend als individueller Menschenrechtsschutz aufgefaßt. Kollektive Minderheitenschutzregeln wurden nur in Ausnahmefällen vereinbart. Lassen Sie mich kurz die wichtigsten Möglichkeiten erläutern, die Verletzung von Minderheitenrechten vorzubringen: 2.2. Die Verfahren zum Minderheitenschutz bei den Vereinten Nationen Prinzipiell ist der Minderheitenschutz auf der Ebene der Vereinten Nationen dem Menschenrechtsschutz untergeordnet. Das bedeutet, dass Minderheitenfragen sich auf besondere Regelungen des Menschenrechtsschutzes beziehen. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), auch Zivilpakt genannt, von 1966. Verletzungen von Minderheitenrechten können in den Vereinten Nationen in Form von Berichts- und Beschwerdeverfahren vorgebracht werden. Es gibt drei unterschiedliche Berichtsverfahren. Vor der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen sind Unterzeichnerstaaten nach Art. 40 des Zivilpaktes aufgefordert, Berichte über die Lage ihres eigenen Minderheitenschutzes vorzulegen. Auch die International Labour Organisation und die UNESCO haben eigene Berichtsverfahren, die auf ihre Zuständigkeitsbereiche Arbeit bzw. Kultur und Bildung zugeschnitten sind. Die Problematik der Berichtsverfahren liegt auf der Hand: die Berichte sind sehr subjektiv, Minderheitenprobleme tauchen meist gar nicht auf, in manchen Fällen wird die Existenz der Minderheiten im eigenen Land schlicht geleugnet oder der Bericht wird gar nicht eingereicht. Die jeweils betroffenen Gremien können die wahrheitsgetreue oder möglichst objektive Abfassung der Berichte nicht unter Androhung von Konsequenzen einfordern. Neben den Berichtsverfahren gibt es die Beschwerdeverfahren. Die Staatenbeschwerde nach Art. 41 des Zivilpaktes könnte zwar in der Theorie auf Minderheitenschutzverletzungen hinweisen, würde aber eher zur Verschärfung von Konflikten beitragen als zu ihrer Schlichtung. Eine Individualbeschwerde könnte sich auf Art. 27 des Zivilpaktes beziehen, der Minderheitenschutzbestimmung des Paktes. Problematisch ist hier wiederum, dass der Menschenrechtsausschuss zwar zu einer Beurteilung des vorliegenden Falles kommen dürfte, aber über keinerlei Mittel zur Beendigung des Zustands verfügt. Im so genannten 1503-Beschwerdeverfahren können Individuen und Gruppen Beschwerden über Minderheitenschutzverletzungen einbringen. Dieses Verfahren wird oft von NGOs genutzt, um Konfliktsituationen einem internationalen Gremium zur Kenntnis zu geben. Konsequenzen für die Rechtsverletzer ergeben sich aus den nicht-öffentlichen Verfahren nicht. Auch die Internationale Labour Organisation und die UNESCO haben Beschwerdeverfahren in ihren jeweiligen Fach- und Rechtsgebieten, die ohne Konsequenzen sind. Das Beschwerdeverfahren vor dem Committee on the Elimination of Racial Discrimination (CERD), das 1970 eingesetzt wurde, kennt keine besonderen Vorschriften über den Schutz von Minderheiten. Bisher betrafen die Fälle des CERD Individualbeschwerden über Diskriminierung wegen Zugehörigkeit zu einer Minderheit, nicht aber über Diskriminierung von Minderheiten selbst. Wie wir gesehen haben, ist das größte Problem der Verfahren auf UN- Ebene ihre fehlende Verbindlichkeit. Das ILO Verfahren fällt in den meisten Fällen weg, da der Bezug zu Arbeitnehmerorganisationen oder - problematiken fehlt. Ein weiterer Mangel an diesen Verfahren ist die fehlende Kooperation zwischen den einzelnen Organen der Vereinten Nationen. Im Bereich der Menschenrechte gibt es momentan Überlegungen zu einer besseren Kooperation, die sich auch für den Minderheitenschutz als vorteilhaft erweisen könnten. Zum Teil wird die Kooperation auch durch die Vertraulichkeit mancher Verfahren unmöglich gemacht. 2.3. Internationaler Gerichtshof Der IGH entscheidet Rechtsstreitigkeiten zwischen Staaten und erstellt Rechtsgutachten. Minderheiten bzw. Minderheitenangehörige haben also nicht die Möglichkeit der Klage am IGH. Es gab die Überlegung, ob Staaten nicht im Namen von Minderheiten in anderen Staaten auf deren Recht auf Selbstbestimmung klagen könnten. Abgesehen davon, dass die juristische Frage, ob das Selbstbestimmungsrecht für Völker auch auf Minderheiten zutrifft, weiterhin ungelöst ist, wäre eine solche Klage eines Staates für eine Minderheit in einem anderen Staat nicht möglich. Eine Partei kann nämlich vor dem IGH nur dann klagen, wenn sie unmittelbar selbst betroffen ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Staat in Vertretung für eine eigene Minderheit Klage erhebt, ist verständlicherweise sehr gering. Zwei Dokumente könnten als Grundlage für einen Prozess um den Schutz von Minderheitenrechten am IGH dienen: die Genozid-Konvention von 1948 und die diversen Resolutionen des Weltsicherheitsrats zum Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes. Erwähnung verdient in unserem Zusammenhang die Tatsache, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Kompetenz (aber nicht die Pflicht) besitzt, die Einhaltung der Urteile des IGH auf Antrag einer Streitpartei zu gewährleisten. Das heißt, der IGH ist eines der wenigen internationalen Gremien, die ihre Entscheidungen mit Hilfe des Sicherheitsrates durchsetzen können. 2.4. EU-Gerichtshof für Menschenrechte: Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), die die rechtliche Grundlage für die Verfahren am europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist, enthält keine dem Zivilpakt vergleichbare Regelungen, die sich auf den Minderheitenschutz beziehen. Leider kommt er also für eine Vorlage von Verletzungen von Minderheitenrechten nicht in Frage, obwohl Rechtsexperten sich darüber einig sind, dass die Rechtsmittel des EUGH an sich effektiver sind als die Beschwerden nach dem Zivilpakt. 2.5. Rechtsschutz im Rahmen der EU: In der EU wurde mehrmals die Schaffung einer Minderheitenkonvention gefordert. Es ist aber noch nicht zu einer Verabschiedung einer solchen Konvention gekommen. Allerdings zeigt sich eine grundsätzliche Bereitschaft zum Schutz von Minderheitenrechten in der EU - z.B. wenn potentiellen neuen Mitgliedern zur Auflage gemacht wird, vor dem Beitritt die eigenen Minderheitenfrage zu klären. 2.6. OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa): Die OSZE, die ja eigentlich keine internationale Organisation mit eigener Handlungskompetenz ist, hat vor allem zwei wichtige Mechanismen, die sich mit dem Minderheitenschutz befassen: Erstens setzt sie Beobachtermissionen ein. Die Beobachter können die Verletzung von Menschenrechten und Minderheitenrechten feststellen. Zweitens hat die OSZE das Amt des Hohen Kommissars für Nationale Minderheiten geschaffen. Seine Aufgabe ist es, Spannungen in Bezug auf nationale Minderheiten frühzeitig zu erkennen und davor zu warnen. Ein Problem des Verfahrens ist, dass die Befugnis des Kommissars auf Fälle beschränkt ist, die Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den Teilnehmerstaaten haben. Gehören ausbrechende Bürgerkriege dann dazu? Da er sich nicht mit Situationen befassen darf, in denen organisierter Terrorismus eine Rolle spielt, ist der Kommissar noch nie in den Konflikten im Westen Europas (Nordirland, Basken, Kurden), sondern immer nur in den ehemals sozialistischen Staaten tätig geworden. Auch die Mechanismen im Rahmen der OSZE lenken mehr die Aufmerksamkeit der Internationalen Gemeinschaft auf die Minderheitenkonflikte, als dass sie Ansätze zu ihrer Lösung anbieten würden. Zusammenfassend läßt sich über die Möglichkeiten zur Vorbringung von Minderheitenschutzverletzungen auf internationaler Ebene zwar positiv bemerken, dass die internationalen Schutzmechanismen für die Durchsetzung der Menschenrechte sich mittlerweile teilweise auch für die Minderheitenrechte nutzbar machen lassen. Allerdings haben auch die Rechtsschutzverfahren für den Menschenrechtsschutz selbst noch grundlegende Schwächen. Vor allem fünf Punkte sind hier zu nennen: Erstens: Der herausragendste Mangel ist vor allem die fehlende Verbindlichkeit der Beurteilungen und Entscheidungen der internationalen Gremien. Den betroffenen Staaten ist die Einschätzung der Minderheitensituation bzw. die Durchsetzung der Maßnahmen zum Minderheitenschutz selber überlassen. Eine Gewährleistung der Verbesserung der Minderheitensituation ist auch nach der Befassung eines Falles nicht durchsetzbar. Zweitens: Wie schon erwähnt, fallen die Minderheitenschutzkauseln im internationalen Recht unter den Oberbegriff Menschenrechte. Was inhaltlich natürlich naheliegend ist, hat aber verfahrensmäßig den deutlichen Mangel, dass Minderheiten in den meisten Fällen nur durch Einzelfälle repräsentiert sind. Eine Möglichkeit für Minderheiten, ihre Rechte in kollektiver Form durchzusetzen, gibt es nicht. Drittens: Es gibt bis heute keine Einigkeit darüber, was eine Minderheit ist. Die Literatur orientiert sich zumeist an der Definition des UNO- Sonderbotschafters Francesco Capotorti aus den späten sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts: Demnach ist eine Minderheit "eine der übrigen Bevölkerung eines Staates zahlenmäßig unterlegene Gruppe, die keine beherrschende Stellung einnimmt, deren Angehörige - Bürger dieses Staates - in ethnischer, religiöser oder sprachlicher Hinsicht Merkmale aufweisen, die sie von der übrigen Bevölkerung unterscheiden und die zumindest implizit ein Gefühl der Solidarität bezeigen, das auf die Bewahrung der eigenen Kultur, der eigenen Tradition, der eigenen Religion oder der eigenen Sprache gerichtet ist." Fragen nach einer legitimen Repräsentation von Minderheiten, oder die
© 2013 Dr. Antje Vollmer