In diesem hitzigen Sommer wurde zum zweiten mal die Demokratie in
Athen geboren. Der Rest von Europa hat es nur noch nicht gemerkt, dass
dieses Referendum auch ein Votum für die Rückeroberung demokratischer
Entscheidungen über die Grundausrichtung Europäischer Politik auch und
gerade in Krisenzeiten war. Als reines Finanz- und Machtprojekt in der
Hand
von meist nicht einmal demokratisch legitimierten Experten hat Europa
keine Zukunft. Das war das zukunftsweisende Element in der Aussage der
griechischen Regierung, die Politik nicht länger den Voten einer Troika und
abgehobenen Eliten zu unterstellen. Insbesondere Wolfgang Schäuble und
Angela Merkel scheinen nicht zu begreifen, wie sehr sie mit ihrem
paternalistischen Zuchtmeister-Gehabe die Völker Europas spalten - in
Nord und Süd, aber auch in Gewinner und Verlierer. Manchmal fühle ich
mich bei dieser Methode an die Zeiten des Prager Frühlings 1968 erinnert.
Ein Europa der schwarzen Pädagogik, der Erpressung und der
Selbstgerechtigkeit braucht niemand. Gerade auf dem Hintergrund der
deutschen Geschichte ist eine solche Haltung unerträglich. Die jungen
Generationen in Europa werden ein anderes Europa aufbauen, das an den
Zielen von innerem und äußerem Frieden und sozialer Gerechtigkeit
orientiert ist. Wenn das nicht gelingt, wird Europa zerfallen. Ich setze aber
darauf, dass es nach den vielen Einseitigkeiten der letzten 25 Jahre unter
neoliberaler Ägide in vielen Ländern zu einer grundlegenden Änderung der
politischen Konzepte kommen wird. Gerade in dieser Zeit war es für
Deutschland ein Unglück, daß es nur eine große Koalition gab und die SPD
unfähig war, eine starke Opposition gegen diesen Kurs anzuführen. Ich
weiß aber, dass es auch in Deutschland an der Basis eine große Solidarität
mit den Griechen gibt, die in solchen harten Zeiten soviel Mut beweisen.
Antje Vollmer, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages a.D.
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© 2015 Dr. Antje
Vollmer